Projekt der DB Netz AG Neubau der Bahnstrecke Grafing – Ostermünchen
Ein Teilprojekt bei der Realisierung des „Brenner-Nordzulaufs“ mit dem die Leistungsfähigkeit der Schienenstrecke München – Rosenheim – Kiefersfelden/Kufstein auf die künftig verfügbare Kapazität des im Bau befindlichen Brenner-Basistunnels angehoben werden soll.
Bericht – Erste Schlussfolgerung - Position des Gemeinderats Bruck
Hintergrund:
Hintergrund für das gesamte Projekt ist der Wunsch von Deutschland, Österreich und Italien den weiträumigen Gütertransport großenteils auf die Schiene zu verlagern. Dazu muss die Leistungsfähigkeit des existierenden Schienennetzes massiv gesteigert werden.
Mit dem Bau des Brenner-Basistunnels haben Österreich und Italien damit begonnen, die zentrale Grundlage dafür zu schaffen. Der Tunnel sollte ursprünglich 2028 betriebsbereit sein, aktuell rechnet man mit dem Jahr 2032. Bis 2040 soll der Alpentransit auf der neuen Trasse erfolgen. Die Zulaufstrecken durch Tirol sind in Teilen bereits fertig bzw. sie befinden sich im Bau. Auf italienischer Seite läuft die konkrete Planung. Deutschland hinkt vergleichsweise hinterher.
Kernstück für das Ertüchtigen der Schienenstränge auf deutscher Seite bilden die Bahnstrecken von München nach Rosenheim und weiter über Kiefersfelden nach Kufstein. Die Zulaufstrecken aus Norden und Westen nach München sind oder werden aktuell ausgebaut. Die Planung für das besonders kritische Teilstück Rosenheim – Kufstein ist - von zahlreichen Bürgerprotesten begleitet - seit längerem im Gange. Sie umfasst auch den Abschnitt von der „Verknüpfungsstelle“ bei Ostermünchen bis Rosenheim. Ursprünglich sollte er erst in Großkarolinenfeld beginnen. Mit der Auswahl der am wenigsten menschen- und umweltfeindlichsten, dafür teuersten Trasse wurde er nach Ostermünchen verschoben.
Mit der Planung für das Teilstück von Grafing-Bahnhof nach Ostermünchen als Neubaustrecke wurde erst vor relativ kurzer Zeit begonnen. Die Öffentlichkeit ist seit Mitte des vergangenen Jahres einbezogen. In unregelmäßigen Abständen informiert die DB Netz AG in Form von zunächst online, demnächst in Präsenz abgehaltenen „Dialogforen“ Landräte, Bürgermeister und Mitglieder von involvierten Institutionen. Verlauf und Ergebnisse der Foren werden protokolliert, die Protokolle stehen als PDF auf einer Homepage für die Öffentlichkeit zum Download bereit www.brennernordzulauf.ed/protokolle.html. Auf derselben Seite befindet sich im unteren Bereich ein Glossar mit Informationen über Fachbegriffe und Maßnahmen. Kopien der Dateien hält die Gemeindekanzlei in ihrem eigenen Archiv.
Die Foren sollen künftig um sogenannte Planungswerkstätten ergänzt werden, in denen sowohl Forumsmitglieder wie auch – in getrennten Veranstaltungen - willkürlich ausgewählte Bürger aus den betroffenen Gemeinden aktiv werden können. Ob letztere mehr der Beschwichtigung der Öffentlichkeit dienen als qualitative Beiträge leisten können, sei dahingestellt.
Unabhängig von Fortschritt und Dauer der Baumaßnahmen wird der Güterverkehr in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Restriktionen von Tirol für den LKW-Verkehr auf der Autobahn durch das Inntal werde dies zusätzlich befeuern. Die DB Netz AG plant deshalb, die Strecke von München über Rosenheim nach Kufstein durch sogenannte Blockverdichtungen leistungsfähiger zu machen. Blöcke sind Streckenabschnitte, deren Durchqueren durch Züge von Signalen geregelt wird. In jedem Block darf immer nur ein Zug fahren. Je enger die Signale aufeinander folgen, desto mehr Züge können theoretisch gleichzeitig eine Strecke passieren. 1 Signal pro Teil-Strecke (Block) ist 1 Zug. 5 Signale sind 5 Züge. Zuglängen, unterschiedliche Zug-Geschwindigkeiten, notwendige Sicherheitsabstände, Bahnhöfe, Überholmöglichkeiten und Zeit-Reserven wirken limitierend auf die Planung.
Das Planen der Maßnahmen zur Blockverdichtung will die DB Netz AG nach eigener Aussage (Protokoll von 23.6.21) aber erst in Angriff nehmen, nachdem die Planung für die Neubaustrecke samt Übergang von/auf die Bestandsstrecke abgeschlossen sei.
Dazu kommt, dass bislang auch keine Prognose für das im Jahr 2040 zu erwartende Güterverkehrs-Aufkommen existiert. Eine vom Bundes-Verkehrsministerium durchgeführte Schätzung des bis zum Jahr 2050 zu erwartenden Aufkommens basierend auf einer Hochrechnung analog zur geschätzten Zunahme des BIP (Bruttoinlandsprodukt) stellt nach eigener Aussage keine Prognose dar.
Das bedeutet:
- Der Neubau wird geplant ohne vorher ergründet zu haben, welche Kapazitäten die Bestandsstrecke nach dem Optimieren der Signaltechnologie bewältigen können wird!
- Da es auch an einer verlässlichen Prognose für die künftige Zug-Frequenz auf der Strecke fehlt, wird geplant, ohne zu wissen, ob die Neubauten tatsächlich erforderlich sind.
Generell stellt sich die Frage, ob der Verkehr auf der Gesamt-Strecke nach 2040 im Vergleich zur dann verfügbaren Kapazität nochmals so stark anwachsen wird um den geplanten Milliarden-Aufwand zu rechtfertigen. Argumente dafür können der Schutz von Menschen und Natur vor den Auswirkungen der Verkehrsbelastungen auf Straße und Schiene sein.
Sachverhalt:
Die ersten vier bisher abgehaltenen Dialogforen haben eher den Eindruck vermittelt als dienten sie primär zum Anhören von latenten Ängsten und Befürchtungen der Menschen in den betroffenen Landkreisen und Gemeinden und weniger deren Information. Zu wenige Fakten sind bislang bekannt. So konnte die DB Netz AG z.B. keine Aussage über die mögliche Trassenführung für die Strecke Grafing – Ostermünchen machen. Diese ist im Bundesverkehrswegeplan als Neubaustrecke vorgesehen. Im Ergebnis soll auf diesem Abschnitt der Verkehr auf vier Gleispaaren abgewickelt werden. Auf welcher Trasse sie realisiert werden soll, ist offen. Nach Aussage von Herrn Müller, DB Netz AG, stünde die Trassenentwicklung jetzt (erst) an. Ob der Ausbau auf der Bestandsstrecke möglich sei und in Betracht gezogen würde, ist ebenfalls offen. Erste Ergebnisse würden voraussichtlich im Herbst 2021 vorgestellt werden.
In das vierte Dialogforum am 23. Juni wurde erstmals die Gemeinde Kirchseeon eingeladen. Die Gemeinde Großkarolinenfeld dagegen war nicht mehr vertreten. Begründet wurde der Wechsel damit, dass die jetzt priorisierte Variante der Strecke Rosenheim-Kufstein bereits in Ostermünchen anstatt in Großkarolinenfeld mit der Bestands- bzw. Neubaustrecke bis Grafing verknüpft werden soll. Dies legt den Schluss nahe, dass der Übergang von der bis Grafing Bahnhof 4gleisig ausgebauten Strecke auf die Neubaustrecke weiter nach Nordwesten verschoben werden soll. Dort würde er aber neben Grafing zunächst das Gemeinde-Gebiet von Bruck tangieren. Inwiefern auch Kirchseeoner Gebiet betroffen sein könnte, konnte Herr Dr. Steigner von der Planungsgemeinschaft PGBN keine Angaben machen.
Die Neubaustrecke soll außer vom Güterverkehr auch vom „schnellen Personenverkehr“, sprich Schnellzügen befahren werden. Nach den geltenden Vorschriften müssen solche Strecken eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h ermöglichen. Das bedeutet: Falls sich dies auf dem eher kurvigen Abschnitt Grafing – Aßling durch Begradigen nicht realisieren lässt, muss eine andere Trasse gefunden werden. Tiefgreifende Einschnitte in die Landschaft wären damit unvermeidbar.
Bei der Planung von Neubau-Strecken werden neben geologischen und topographischen Gegebenheiten weitere wichtige Kriterien berücksichtigt. Diese skizzierte Dr. Steigner anhand sogenannter Grundlagenkarten auf dem aktuellen Stand des Planungsprozesses. Die Karten wurden den Forums-Teilnehmern mittels einer Folie gezeigt, die Systematik dahinter anhand von Beispielen kurz erläutert. Das Vorstellen und Erörtern der topographischen Karte wurde aus Zeitgründen in die erste Planungswerkstatt mit den Forumsmitgliedern am 26. Juli 2021 verschoben.
Die Grundlagenkarte Mensch visualisiert die erhobenen Daten zu Aufenthaltsorten von Menschen (geschlossene Siedlungsräume, Streusiedlungen, Einzelhäuser/Gehöfte), Freizeit und Erholung, Industrie und Gewerbe, Infrastruktur und Energieversorgung. Landwirtschaft sowie Sach- und Kulturgüter sind integriert.
Auf der Grundlagenkarte Umwelt sind verschiedene Kategorien von Schutzgebieten (u. a. FFH-Gebiete, Naturschutzgebiete, geschützte Landschaftsbestandteile, Naturdenkmale, Landschaftsschutzgebiete), Bio- und Geotope, Moorböden, Oberflächengewässer, Überschwemmungsgebiete und Wasser-Schutzgebiete, Waldflächen sowie Flächen des amtlichen Ökoflächenkatasters abgebildet.
Auf der Raumwiderstandskarte sind die ermittelten Grundlagen in Raumwiderstandsklassen überführt. Niedrige Raumwiderstandsklassen spiegeln geringe Raumwiderstände, hohe Raumwiderstandsklassen hohe Raumwiderstände wider.
In der anstehenden Phase der Grobtrassen-Entwicklung ab Ende Juli 2021 sollen Forumsmitglieder und interessierte Bürger im Rahmen der Planungswerkstätten eigene Ideen und Vorschläge einbringen (Aussage von Herrn Eggerl (iFok)).
Erste Schlussfolgerung
Ein erster Blick auf die Grundlagen- und Widerstandskarten lässt jedoch ahnen, dass eine Trasse westlich fernab der jetzigen Trasse nur schwierig zu verwirklichen sein wird. Die topographischen Gegebenheiten lassen sie fast unmöglich erscheinen.
Die Gemeinde Bruck erkennt die Notwendigkeit an, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Für tiefgreifende Maßnahmen einer Neubaustrecke müssen jedoch
- Die Notwendigkeit anhand von belastbaren Fakten und Prognosen erwiesen sein
- Der Volkswirtschaftliche Nutzen belegt sein
- Die Maßnahmen im Ergebnis für Mensch, Natur, Landschaft und Erholungsraum verträglich umgesetzt werden
Die Gemeinde Bruck wird deshalb alle Foren, Werkstätten und sonstigen Möglichkeiten nützen um ihre Position darzustellen und Bedenken vorzutragen.
Die Position der Gemeinde Bruck
führt zu folgendem Beschluss mit diesen Anforderungen:
- Vor der Realisierung des Projekts muss zwingend eine Analyse über Notwendigkeit und Nutzen des Strecken-Neubaus erstellt und ihre Ergebnisse vorgestellt werden
- Sofern die Notwendigkeit eines Strecken-Neubaus nachgewiesen ist, muss dieser im Bereich der Gemeinde Bruck entlang der Bestandsstrecke erfolgen
- Eine von der Bestands-Strecke abweichende Trassenführung lehnt die Gemeinde ab
- Falls sich der Neubau entlang der Bestandsstrecke als undurchführbar erweist, muss alternativ eine Tunnellösung geplant werden
- Unabhängig von der künftigen Trassenführung müssen sowohl beim Ertüchtigen des Bestands wie bei einem Neubau Lärmschutzmaßnahmen gemäß der entsprechenden Verordnung für Neubaustrecken umgesetzt werden. (Einhausung)